Zur Abwechslung ein Gedicht. Erst zu Ende lesen, dann schauen, WANN es
geschrieben wurde!
Wenn die Börsenkurse fallen,
regt sich Kummer
fast bei allen,
aber manche blühen auf:
Ihr Rezept heißt Leerverkauf.
Keck verhökern diese Knaben
Dinge, die sie gar nicht haben,
treten selbst den Absturz los,
den sie brauchen - echt famos!
Leichter noch bei solchen Taten
tun sie sich mit Derivaten:
Wenn
Papier den Wert frisiert,
wird die Wirkung potenziert.
Wenn in Folge
Banken krachen,
haben Sparer nichts zu lachen,
und die Hypothek aufs
Haus
heißt, Bewohner müssen raus.
Trifft's hingegen große Banken,
kommt die ganze Welt ins Wanken -
auch die Spekulantenbrut
zittert
jetzt um Hab und Gut!
Soll man das System gefährden?
Da muss
eingeschritten werden:
Der Gewinn, der bleibt privat,
die Verluste kauft
der Staat.
Dazu braucht der Staat Kredite,
und das bringt erneut
Profite,
hat man doch in jenem Land
die Regierung in der Hand.
Für die Zechen dieser Frechen
hat der Kleine Mann zu blechen
und
- das ist das Feine ja -
nicht nur in Amerika!
Und wenn Kurse wieder
steigen,
fängt von vorne an der Reigen -
ist halt Umverteilung pur,
stets in eine Richtung nur.
Aber sollten sich die Massen
das mal
nimmer bieten lassen,
ist der Ausweg längst bedacht:
Dann wird bisschen
Krieg gemacht.
Kurt Tucholsky, 1930, veröffentlicht in "Die
Weltbühne"
Engstirnigkeit - Gier - Egoismus - Feigheit - Rücksichtslosigkeit - Überheblichkeit - Verbohrtheit - kennzeichnen internationale Politiker seit eh und je.
Leidtragende sind die kleinen Leute.
Diese sind aber oft nicht schuldlos an ihrer Situation - "denn die allerdümmsten Kälber, wählen ihre Schlächter selber!"
Und die Hälfte geht zur Wahl nicht einmal mehr hin.
Sonntag, 4. März 2012
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