Sonntag, 27. März 2011

Was ist mit unserer sozialen Kultur los? Nix !

Vor noch nicht allzu langer Zeit hat man gemeint, man dürfe Kinder nicht durch autoritäres Gehabe in ihrer Entwicklung hemmen.
Was hat man damit erreicht? Richtig, Hemmungslosigeit. 
Das zeugt doch von selbstbestimmter Entwicklung, wenn Klein-Kevin mit zu Besuch darf bei fremden Leuten und dort dann spielerisch die Tapeten von den Wänden zieht.
Derartige Erziehungsmängel kann man heutzutage allenthalben bewundern: Im Zug oder Bus kann man es sich doch bequem machen, indem man die Fuße auf dem gegenüberliegenden Sitz hochlegt. Wozu denn da erst umständlich die Schuhe ausziehen?  Handyverbot im Bus, weil der Fahrer dadurch allmählich verrückt wird? Das juckt doch unsere sonnige Jugend nicht.

Pizzaschachteln und McDonald-Tüten lässt man einfach dann fallen, wenn sie leer gegessen sind, Bierflaschen sowieso. Es wird sie schon irgendwer wegräumen.

Man darf auch die Kunstentwicklung nicht behindern. Wenn es jemanden treibt, sich künsterlisch auszudrücken, dann muß das umgehnd geschehen, auch in der Eisenbahn. Als Pinsel eignet sich da ein Taschenmesser und die Leinwand wird ersetzt durch das Abteilfenster. Das gibt recht kreative Kratzer.
Manche Künstler haben aber auch einen Filzstift (one4all) in der Tasche, welcher auf unendlich vielen Materialien schreibt, was nicht nur durch flotte Sprüche an Toilettenwänden sondern auch durch "tags", am liebsten auf frisch lackierten Gegenständen, bewiesen wird. Der Kultursprung vom Haushund zum derart malenden Homo (sapiens?) ist übersichtlich. Der Marker sagt entweder "Nero der Große, war hier" oder "lonesome wulff Harry" hat das gezeichnet.

Begeisterung kommt auch beim Waldwanderer auf, wenn er endlich einmal wieder ein noch durchaus funktionstüchtiges Sofa vor der Tannenschonung findet. Wenn man die paar Altreifen, die noch davor liegen, etwas zur Seite gerollt hat, kann man sich darauf durchaus noch bequem  ausruhen oder picknicken. Die Verpackungsreste vom Picknick fallen später neben dem Möbel sowieso nicht mehr auf.

Das Auto parkt inzwischen auf dem Gehweg vor Haus 18. Da ergibt sich deshalb manchmal ein kleiner Konflikt zwischen einem flotten Radler oder der Oma mit dem Rollator, wobei die Oma meistens nachgibt und mutig über die Fahrbahn ausweicht. Da hat der Staat oder die Orts-behörde keinen Sanktionsbedarf, denn der Radler zahlt noch ein ins System und die Oma kostet nur.

Nicht immer ist der Wald erreichbar, wenn man picknicken will. Im Heimbereich heißt das auch anders, nämlich grillen. Wen stört es schon, wenn zum Anfeuern der ach so wohlriechende Grillanzünder benutzt wird, dessen Qualmwolke sowieso bald vom lieblichen Geruch der schmorenden Fleischstücke ersetzt wird. Soll er doch das Fenster schließen und wenn es dem Nachbar dann zu warm wird in der Hochsommernacht: der Baumarkt verkauft Klimageräte.

Ich glaube nicht, dass ich hier in den Verdacht gerate, mich über völlig abwegige Verhaltensmuster meiner Mitbürger zu erregen.
Was ich aber glaube: Die Kulturstufe, die unsere Gesellschaft beötigt, um ohne Kontrollen auszukommen, haben wir noch lange nicht erreicht.  Ich rufe hier nach mehr Kontrolle - aber natürlich nicht nach dem Polizeistaat. Der Polizeistaat beschnüffelt jeden, auch im Privatbereich. Das will sicherlich niemand (mehr).
Aber wie wär's mit mehr Kontrolle auf Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen durch Videoüberwachung? Ich habe kein Dateinschutzproblem, wenn ich dabei beobachtet werde, wenn ich verreise.
Wie wär's mit mehr Steuerprüfungen, schon um dem Gewerbetreibenden Gewissenkonflikte zu ersparen?
Wie wär's mit mehr Kontrolle, wie Atomkraftwerke betrieben werden? Oder was für Ingredienzien in der Wurst sind? Oder ob die Metzgereifachverkäuferin mit den gleichen Fingern den Geldschein und jedes Wursträdchen anfasst?  Oder ob das örtliche Krankenhaus auch einen Hygienesachbearbeiter hat? Oder ob der Huberbauer zusammen mit dem Tierarzt seine Viecher mit Antibiotika gesund erhält und dabei diese Antbiotika wertlos macht? Oder ob Radfahrer den Radweg auf der falschen Seite benutzen, die Einbahnstraße falschrum und auch noch ohne Licht fahren? Oder ob Ärzte zusammen mit der Pharmaindustrie die Versicherungen betrügen und dadurch die Beiträge immer höher werden?
Man sieht, überall fehlt es an Kontrolle.  Aber wenn kontrolliert wird, dann nicht so, wie in Altenheimen, wo der Kontrollbesuch schon mehrere Tage zuvor angekündigt wird. Und zur Kontrolle gehört auch die Sanktion. Und die muß schmerzhaft sein, um zu wirken. Bei unseren, ach so kontrollresistenten Jugendlichen, hilft nicht ein staatlich geförderter Segelurlaub in der Karibik, sondern eine mehrjährige Führerscheinsperre.

Vielleicht sollte man als Bürger nicht immer wegschauen, wenn man sieht, wie sich ein Anderer asozial verhält, sondern den Missetäter zur Rede stellen, notfalls, und wenn das Fehlverhalten schwerwiegend genug ist, es auch zur Anzeige bringen.  

Denn allmählich habe ich den Eindruck, dass unsere Gier gesteuerte Gesellschaft langsam, aber sicher, sozial verlottert.

Keine Kommentare: